Bänderriss

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Die Musikszene in Filderstadt war damals reich bestückt. An jeder Schule gab es Musikgruppen und die Übungsräume im Jugendzentrum "Z", in der "Alten Mühle" und in diversen Fabrikkellern waren überbelegt. Daß wir an unseren Instrumenten mehr als lausig waren, interessierte uns nicht. Wir meldeten uns zum renommierten ESG - Festival an, obwohl wir erst seit 3 Monaten im Keller bei Hoffmanns "geprobt" hatten. Es gab weder ein fertiges Lied, noch einen Namen für unsere Gruppe. Wir wollten nur eines, aber das vollkommen überzeugt: Irgendwie rauf´ auf diese Bühne !!!
Auf die Bühne wollte auch Peter. Er konnte zwar kein Instrument, war aber willens genug sich eine Bass-Gitarre zu kaufen - vorausgesetzt wir leihen ihm die Kohle. Die Musik konnte bei unserem ersten Gig nicht im Vordergrund stehen, das war uns vollkommen klar. Also stellten wir einen "kleinen Seehund" (Joe Schloz, damals 12 Jahre alt) vorne ans Mikrofon, zogen eine ziemlich abgefahrene Show ab und gaben unserem Publikum, im wahrsten Sinne des Wortes, alles!
Die Resonanz unseres ersten Auftritts war gigantisch! Die Zuhörer bogen sich vor lachen und waren von unserer Naivität begeistert. Als Zugabe wiederholten wir "Da, Da ,Da" von Trio, und waren eine Woche lang das Schulgespräch Nummer 1.
In Gedanken sahen wir uns auf den Titelseiten der BRAVO, und bereiteten uns schon mental auf das harte Leben eines Popstars vor.
Was wir, zugegeben etwas übertrieben, damit sagen wollen, ist schnell auf den Punkt gebracht. An diesem sonnigen Oktobertag 1982 wurden wir von einem Virus infiziert, der Rockmusik heißt, und sich bis heute in unseren Blutbahnen befindet.

Nach diesem Schlüsselerlebnis gab es allerdings den bis heute ersten und einzigen Rausschmiß. Die Bänderriss Urbesetzung mit Ralf Böckle, Claus Pecha, Peter Hardt und Martin Hoffmann verabschiedeten sich von ihrem 12 Jahre alten "Frontmann" Joe, und ersetzten ihn durch Markus Schlögl.
Die Gründe hierfür waren nicht persönlich. Joe interessierte sich noch nicht für Mädchen und war selten in der Probe, da er oft Hausarrest hatte. Der Altersunterschied stellte sich als unüberwindbares Hindernis heraus, zudem besaß Markus einen Schlüssel für einen Übungsraum in der Alten Mühle (KOZ). Die, von der damaligen Filderstädter CDU Fraktion, als "rot - grünes Agitations Zentrum, verschriene Mühle, war fortan unser neues Zuhause. Hier im KOZ konnten und durften wir alles (herzliche Grüße und vielen Dank)!
Das Beste an unserem Bandraum war der Umstand, daß wir 24 Stunden am Tag proben konnten!!! Denn, um ein wahrer "Popstar" zu werden, das hatten wir festgestellt, war es nötig zu üben.

1984 spielten wir dann unsere ersten Probeaufnahmen ein. Zuerst bei Manne Grupp im Keller, und etwas später mit unserem Musiklehrer Herrn Grosse im Gymnasium. Beide waren unglaublich geduldig - ein Wunder, bei dem, was wir an "songs" mit ihnen durchzogen.
Also: eine saubere "La Ola" für die zwei, wir werden euren Einsatz nicht vergessen.

Im folgenden Jahr komplettierte Hansi unsere Band. Jetzt hatten wir ein Saxophon, was bei der Musik die wir spielten, für damalige Verhältnisse, ziemlich abgefahren war. Da Hansi ein aufgeweckter und lernfähiger Junge war, brauchte es nicht lange, bis er sich an das intensive Leben eines nebenberuflichen Popstars gewöhnt hatte. In diesem Sinne, ebenfalls liebe Grüße an den Musikverein und die Musikschule Bernhausen, bei denen Hansi die hohe Kunst des Klarinettenspiels erlernen durfte und zudem sein erstes Leih - Saxophon bezog.

Wir machten die Bekanntschaft mit Walter Dieterle, dem Kneiper der Alten Mühle. Hauptberuflich war Walter allerdings schon ein richtiger Popstar. Unter dem Namen Walt F. Diet zog er mit seiner Folkband MAYBUG durch jede Kneipe am Fuße der schwäbischen Alb.
Walter vermittelte uns ein Tonstudio in Illertissen, um dort endlich das zu tun, von dem wir immer geträumt hatten: Die Produktion einer eigenen, echten Langspielplatte aus Vinyl!
Für unsere jungen Leser sei erwähnt, das es sich bei sogenannten LP`s um diese schwarzen, runden Dinger mit einem Loch in der Mitte handelt, welche euer Papa im Keller stehen hat und manchmal mit Tränen in den Augen in die Hand nimmt, um sie zu betrachten.
Zuvor mussten wir aber noch unseren Konrektor Willy C. Nawrath davon überzeugen uns, für diesen historischen Moment, eine Woche lang frei zu geben. Die geplanten Studiotage, waren unserer Meinung nach super getimt, da an unserer Schule zu dieser Zeit die "Projektwoche" stattfand.
Das Gespräch unter sechs Augen (Willy-Claus, Peter und Martin) war, wie soll man sagen, nicht ganz so prickelnd. Wir waren zwar schon 18, aber unsere "Fehlstunden" des vergangenen Schuljahres, stellten eine nicht gerade positive Gesprächsgrundlage dar.
Egal - nach langem hin und her durften wir offiziell los. Auch hier ein herzliches Dankeschön Herr Nawrath.

Im Studio begrüßte uns Achim Zscheile - unser Toningenieur.
Achim war für uns ein Glücksfall! Eine Woche Aufnahmezeit für eine ganze LP war eigentlich nicht machbar, aber Achim arbeitete mit uns statt acht, eben vierzehn Stunden täglich. Achim war damals ca. 35 Jahre alt und selbst Musiker - sozusagen ein "Rockmethusalem" erster Sahne. Er half uns beim arrangieren der Solis, gab uns nützliche Tipps und verabschiedete sich jeden Abend mit dem Spruch: "Mei, ihr seid`s a lustige Combo".
Mit Hak Meuser aus der Künstlerwerkstatt der Alten Mühle, druckten und klebten wir die Covers für unsere Platte eigenhändig. Die Auflage von 500 Stück war nach einem halben Jahr verkauft, und wir waren mächtig stolz!

Seit diesen Tagen verrann´ die Zeit irgendwie schneller. Wir gewannen einen Musik Wettbewerb ("Treffen Junger Liedermacher") und durften nach Berlin. Am Bahnhof wurden wir mit dem Taxi abgeholt und zum Hotel gebracht. Am nächsten Tag ging es dann, ebenfalls mit dem Taxi, zur UFA-Fabrik, wo wir gemeinsam mit anderen Musikern ein Konzert gaben. Abschminken, kleine Pressekonferenz und wieder zurück nach Hause. Ja, genauso musste wohl das Leben eines Popstars aussehen - zumindest so ähnlich.
Dank besagten Virus blieben wir auch während unserer Bundeswehr- bzw. Zivildienstzeit immer am "Rock ´n Roll-Ball". Die Dinge gemeinsam als Band zusammen durchzuziehen, war damals wie heute immer unsere stärkste Seite.

1988 wurden wir "Stuttgarts Beste Nachwuchsband" und in der Folgezeit wurden die Acts, bei denen wir auftraten, größer.
Unser "Fanclub" aus Steinenbronn (stellvertretend liebe Grüße an Thomas und Benny), begleitete uns auf alle Konzerte. Überhaupt, es war erstaunlich, wie viele Menschen unsere Gigs regelmäßig besuchten. Für uns alle auf der Bühne war dies eine unglaubliche Bestätigung.

"Frischrock" unsere zweite LP produzierten wir `89. Die Songs wurden von uns nun kommerzieller arrangiert, und der Zeitaufwand, mit dem wir unser Hobby betrieben, wuchs stetig. Wir spielten in diesen Jahren in vielen Hallen und Jugendhäusern, und jedes Konzert hat im Nachhinein seine eigene Story. Die "wahren" Popstar - Events spielten sich jedoch auf den zahlreichen Festivals ab, bei denen wir auftraten.
Jede Band hat da wohl Ihre ganz speziellen Favoriten. Gigs, bei denen die Eindrücke und Erlebnisse, ein wenig intensiver sind. Bei den Flippmanns ist es vielleicht der Blarer Platz in Esslingen, für Bänderriss war es der "Bibri - Berg".
Der "Bibri" liegt in der Nähe von Polsingen, irgendwo 80 km hinter Heidenheim in der bayrisch - schwäbischen Pampa. Die Bezeichnung Berg ist wohl ein wenig übertrieben. Es handelte sich vielmehr um eine kleine Erhöhung, oben flach.Wie ein Altar stand sie dann auf diesem kleinen Plateau: Die von der Dorfjugend selbst gebastelte Bühne.
Aus Holz und Abfalltüten wurde sie jedes Jahr von neuem aufgebaut. Die Energieversorgung lief über ein Notsromaggregat, daß hin und wieder mal in die Knie ging, und den kompletten Berg mit einem Dieselgestank überzog (Das ist Rock´n´Roll liebe Freunde!).
Da wir nichts verpassen wollten, fuhren wir jedes Jahr immer schon freitags auf den Bibri, obwohl wir erst samstags spielten. Am Fuße des Berges gab es ein kleines, ziemlich veralgtes Schwimmbecken. Von einer Naturquelle gespeist, war es jedoch der schönste Pool auf Gottes Erden. Nachdem die Zelte aufgebaut waren, pilgerte man auf den Berg, um endlich das zu tun, auf was man sich das ganze Jahr schon gefreut hatte: Abfeiern!!!
Das Publikum bestand aus alternativ gekleideten Familien mit kleinen Kindern, unglaublich harten Typen in Lederklamotten und Naturburschen/mädels, wie man sie nur in einem solchen Landstrich findet. Aus der PA dröhnte das ganze Wochenende die Musik, und ein süßlicher Duft verfeinerte den Dieselgeschmack. Es gab´nichts schöneres, als morgens um vier unter´ m Sternenhimmel ein Bad im Pool zu nehmen, während Bob Marley und AC/DC vom Bibri runter ihr Bestes gaben.
Das traditionelle Weißwurst - Frühstück am Sonntag mit der Band "Holzbrett" war immer der krönende Abschluß eines "BIBRI - Gigs". Die Band bestand aus drei Jungs mit Rastalocken und abgewetzten Lederjeans. Ihre "Gitarren", 3m lange Holzdielen mit Wäscheleinen bespannt, bearbeiteten sie, zur lauten Musik aus der Konserve, wie Jimmy Hendrix zu seinen besten Zeiten. Die Show, die sie am heiligen Sonntag morgen abzogen, war hemmungslos - genauso wie ihr Alkoholkonsum. Aufgrund ihres Zustandes kam es vor, das der ein oder andere von der Bühne genau in die Schlammlache davor fiel - für einen echten Rock ´n ´Roller kein Problem.

Das Gift für jeden nebenberuflichen Popstar ist das geregelte Arbeitsleben. Wir waren fertig mit unseren Ausbildungen und hatten unsere Jobs.
Markus "wechselte" zu der Band SOUL UP, um seine Frau Karen wenigstens auf der Bühne regelmäßig zu sehen. Der Zeitaufwand, mit dem wir unser Hobby betrieben, war hoch und mit unserem qualitativen Anspruch nur noch schwer zu vereinbaren.
Also: "Wenn es am schönsten ist....."!
Da wir all die Jahre ohne Umbesetzungen unsere Geschichte durchzogen, entschlossen wir uns, mit BÄNDERRISS aufzuhören.
Im Dezember 1992 verabschiedeten wir uns mit drei Konzerten in der Alten Mühle - das heißt, vorerst mit zwei. Nach unseren Konzerten donnerstags und freitags trat das ein, was uns in den 10 Jahre zuvor noch nie passiert war: Peters Stimme verabschiedete sich, und wir mussten unser letztes Konzert absagen. War aber gar nicht so tragisch, im März 1993 holten wir diesen allerletzten Gig nach und hatten unglaublich viel Spaß!!!

In all den Jahren trafen wir immer Menschen, die uns mit Ihrem persönlichem Einsatz unterstützten. Stellvertretend für alle, wollen wir ein paar Jungs und Mädels besonders erwähnen.
Veronika Doerr zum Beispiel, unsere Managerin (ja, so was hatten wir damals schon - cool, gell)!. Veronika kümmerte sich um alles was sich um unsere Band herum abspielte, und war für manchen Veranstalter eine harte Verhandlungspartnerin. Ihre Eltern, Doris und Siegfried, stellten uns Ihren "Fuhrpark" zur Verfügung, und zogen mit uns einen ziemlich heißen Gig in unserer Partnerstadt La Souteraine durch.
Mama Hoffmann blockte souverän die Anrufe der Nachbarn ab, während wir in Ihrem Keller probten.

Keine anständige BÄNDERRISS - SHOW ohne Licht und Pyrotechnik! Bengt Prasser (the godfather of light and sound) übertraf sich dabei immer selber. Bengt lernten wir 1989 kennen. Er war damals Lichttechniker bei der DDR -Band "Brigitte Stefan und Meridian", die in der Alten Mühle ein Konzert gaben. Nach Öffnung der Grenzen (Grüße an unsere Partnerstadt Oschatz), wohnte er eine Zeit lang bei uns, und ist mittlererweile einer der angesagtesten Lichttechniker in Europa. Immer wenn ein besonderes Konzert geplant war, kümmerte sich Bengt um unsere Lichtshow. Ohne Übertreibung, wenn Bengt richtig loslegte, waren die Lichteffekte eines Pink Floyd Konzerts im Vergleich zu unseren Gigs, eine ziemlich traurige und dunkle Angelegenheit. Danke lieber Bengt - wir freuen uns auf den 30.11.02, wenn Du die Light - Show zu unserem Jubiläums Konzert gestaltest - spreng aber bitte nicht das Zelt in die Luft!

Und dann gab´ es da noch Joachim Hutter. Joachim kümmerte sich zu Beginn der Bänderrisszeit um die multimediale Gestaltung unserer Konzerte- das heißt er machte die Dia-Show. Er als Fotograf knipste das Material und betätigte den Projektor. Wenn "Hutti" vor dem Konzert entnervt war, dann hatte das meist den gleichen Grund: Beim Aufbau seines hochkomplizierten Wunderwerks war ihm mal wieder ein volles Magazin mit Dia`s aus dem Apparat, direkt auf den Boden geknallt. Nach zwei Jahren hatte sich die Sache erledigt, Hutti wurde unser fester Mann am Mischpult, und macht das hin und wieder auch bei den Flippmanns. Ansonsten hat Joachim die "Seiten" gewechselt und ist jetzt nebenberuflich ebenfalls Popstar - er spielt bei "SOUL UP"und den "de Lorcas" sauber Schlagzeug.
Also: Gruß und Dank lieber Hutti, see you on stage.

Wir hoffen, daß wir den ein oder anderen "Kämpfer" bei unserem "BÄNDERRISS NOSTALGIE LIVE SCHWOOF", am 29.11.02 in der Alten Mühle wiedersehen.

It´s only Rock´n´Roll but we like it!!!!

Ralf Hansi Peter Mausi Martin und Markus

In Memoriam
Martin Krautheim und Falk Schöllhuber, mit denen wir gerne unser "20-Jähriges" gefeiert hätten!